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Preisschild Mensch

Neulich hatte ich eine spezielle Begegnung mit einem Chefarzt und er tätigte eine Aussage, die mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich werde nicht auf die Details der Unterhaltung eingehen, jedoch teilte er mir mit, dass er eine äusserts wichtige Persönlichkeit sei, da er ja Chirurg sei und seine Zeit sehr wertvoll ist. Auch wenn ich länger warten musste, wäre dies ja kein Verlust oder ob ich auch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten hätte.

Wollte er mir gerade sagen, dass er mehr Wert für die Gesellschaft hatte als ich? Meinte er wirklich, dass seine Zeit wertvoller sei als Meine oder von anderen Menschen? Ich war überrascht, erstaunt und dennoch erinnerten mich diese Aussagen an eine Begegnung in diesem Sommer.


Ich war an einem heissen Nachmittag in der Badi Enge, genoss die Sonne und liess mich von den Gesprächen um mich herum berieseln. Wer die Badi Enge kennt, weiss, dass man unweigerlich Zeuge der Gespräche um sich herum wird. Eine Gruppe neben mir tauschte sich rege über ihren Arbeitsalltag aus, sie schienen in einem Krankenhaus zu arbeiten. Irgendwann sprach mich der eine Typ an und fragte, was ich denn so arbeite. Ich antwortete mit Marketing, worauf ich einen abschätzigen Schnauber und die Aussage: «Ah, du bist auch so eine, auf die man verzichten könnte.» einheimste. Wow – ich war kurz sprachlos, bevor ich ihn fragte, wie er das denn nun meine. Ohne mit der Wimper zu zucken, meinte er, ja es gebe ja Menschen die mehr zum Allgemeinwohl beitragen als ich. Okey, eine spannende Aussage, aber noch viel mehr erstaunte mich die Art und Weise, wie er scheinbar Menschen beurteilte. Dies sagte ich ihm dann auch gleich, denn auch bei diesem Herrn schien es Wertekategorien verschiedener Berufsgruppen zu geben. Im Grundsatz weiss ich, was er meint, er rettet Leben, ich rette höchstens die Egos der Menschen oder deren Tag. Aber dennoch, die Frage bleibt:


Kann man Menschen anhand ihres Berufes einen bestimmten Wert zuschreiben?

An welchen Kriterien machen wir diesen Wert fest? Wer wie vielen Menschen das Leben gerettet hat? Oder geht es nach Karmapunkten? Zählt da ein nachhaltiger und umweltschonender Beruf mehr? Wie steht es um unfaire Chefs in nachhaltigen Unternehmen? Wo ordnen wir nun einen lügenden und betrügenden Anwalt ein, der sich aber unentgeltlich für die Rechte von Frauen einsetzt? Zählt nun sein Einsatz mehr oder die Art und Weise wie er es tut? Ist eine Reinigungskraft weniger wert wie eine OP-Schwester? Früher sicherten uns die Jäger das Überleben, heute sind sie Tiermörder und wo sind diese Menschen einzuordnen? Vielleicht merkt ihr, wie sehr ich mit dieser Fragestellung hadere. Meine Finger schweben nur sehr widerwillig über die Tastatur, denn die Vorstellung, dass Menschen so denken, lässt mich erschaudern. Egal wie oft ich versuche diese Ansicht zu verstehen oder wenigstens nachzuvollziehen, weigert sich mein Verstand. Irgendwie erinnert mich das Ganze an die Konflikte mit den verschiedenen Religionen. Wer ist nun besser? Wer ist im Recht? Wer steht über allem?


Aber Freunde, ich sag’s euch ganz ehrlich, das ist doch absoluten Dünnpfiff-Blödsinn. Wer glauben wir zu sein, dass wir jemanden einen Wert beimessen oder glauben dies tun zu können. Das ist doch absoluten Blödsinn. Ich bin überzeugt und vertrete diese Meinung sehr stark, in erster Linie sind wir Menschen und alle gleich. Ja, unsere Taten können uns unterscheiden, aber doch nie unseren Wert festlegen! Vielleicht sind unsere Taten gut oder schlecht oder haben eben jeweilige Auswirkungen.


Kommt es aber nicht auch immer auf die Situation an, in der wir uns befinden, was wir als wertvoll betrachten?

 Wenn ich nun in einem bösen Rechtsstreit um meine Wohnung stecke, wie wertvoll ist nun ein Chirurg? Wenn ich ein neues Produkt bewerben möchte, denn davon hängt der Erfolg eines Start-up ab, welche Berufskategorie benötige ich aktuell am dringendsten? Wie wertvoll ist denn ein Optiker in einer Minengrube mitten in Afrika? Und ist jetzt der Wert daran festzumachen, wie hilfreich die Person in der jeweiligen Situation war?


Ach, wir könnten das Spiel noch ins Unendliche bauen, aber ich glaube ihr wisst, was ich damit sagen will. Welche Berufsgattung wann für wie wertvoll gehalten wird, ist eine sehr persönliche Meinung, nicht? Der Umstände und Örtlichkeiten sind entscheiden und noch viel entscheidender; Was brauche ich denn aktuell und was wäre für mich in dieser Situation und zu gegebenem Zeitpunkt wertvoll? Aus meiner Perspektive ist eines viel entscheidender. Die Menschen hinter den Berufsbezeichnungen sind der wesentliche Faktor. Was bringen uns diese Bezeichnungen und die Bewertungen dazu? Und da haben wir noch nicht mal darüber gesprochen, dass es zwischen den Berufsbezeichnungen und der Realität in der Ausübung oft einen grösseren Gap gibt, als man denkt.  

Unsere Berufe sollten nicht uns Menschen definieren und schon gar nicht unseren Wert. Ja, ich arbeite momentan nicht festangestellt bei einer Firma, kurz gesagt bin ich arbeitslos. Jedoch stehe ich jeden Morgen um 6.00 Uhr auf, gehe zum Sport, unterstütze meine Familie, helfe Freunden und arbeite an meinen Träumen.


Welchen Wert habe ICH nun in der Gesellschaft? Bin ich wertvoll oder noch viel weniger als ohne hin schon als Marketing-Tante?  

Unsere Berufe verraten doch lediglich, wo unsere Interessen liegen/lagen und welchen Weg wir als Teenager eingeschlagen haben. Die wenigsten wussten in diesem Alter wo ihre Talente und Vorlieben liegen. Einmal ein Beruf erfasst, heisst nicht mehr bis zum Tode in genau diesem zu bleiben. Wir leben in einer Zeit, in der sich viel verändert und die Veränderungen viel von uns abverlangen. Denken wir nur mal an unsere Elterngeneration und die Digitalisierung. Je älter wir werden, umso besser lernen wir uns kennen, wissen wo unsere Stärken und Talente liegen. Demnach ist es legitim und wünschenswert, dass man auch den Beruf wechselt, Neues ausprobiert und vielleicht auch verschiedene Stärken kombiniert und damit etwas Neues anfängt. Jedoch scheint dieser Grundsatz für sehr viele Menschen utopisch, waghalsig und vielleicht auch naiv zu sein.

In unserer Gesellschaft herrschen diverse Vorstellungen von wie etwa zu sein hat, oder wie man sein Leben zu gestalten hat, dass es als «gut» gilt. Vieles verunsichert uns auf dem Weg unseren eigenen Pfad zu finden. Viel zu oft wird auf die Meinung von aussen zu viel Wert gelegt. Der typische Satz: «Was sollen denn die anderen von mir denken?» beschränkt uns viel zu oft in unserem Denken und Handeln. Aus meiner Sicht ist das nicht richtig und super schade. Stellt Euch mal vor, was jeder Einzelne von euch erreichen könnte, wenn die Meinung der anderen egal wäre.


Bestimmt eure Werte, setzt eure Normen. Fangt an keine Grenzen, sondern Möglichkeiten zu sehen. 

Schlussendlich müssen wir uns nur selbst genügen und keiner hat das Recht unseren Wert zu bestimmen. Und schon gar nicht, diesen an einem Beruf festzumachen. Lass die Leute reden, jeder wird euch nach seinem Wertesystem einordnen. Diese sind sehr individuell und je nach Perspektive rettest Du Leben oder eben einfach «nur» den Tag. Ich bin fest davon überzeugt, dass jemandem ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, genau so wichtig ist, wie jemanden den Hintern zu putzen. Für die einen bist Du der Held, weil Du Staranwalt bei einer renommierten Kanzlei bist und für die anderen bist du der Held, weil du ihnen beim Umzug geholfen hast.


Fazit: Unsere Berufswahl sagt nichts über unseren Wert aus! Die Menschlichkeit, die Empathie und die Freundlichkeit sagen mehr über dein Gegenüber, als es sein Beruf je kann.

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1 Comment


Dominik brülisauer
Dominik brülisauer
Dec 17, 2023

Zuoberst sind die Werbetexter, dann die Werbetexterinnen, dann Kinderherzchirurgen, dann Astronauten, dann die Produzenten von Family Guy, dann Pflegepersonal, dann Piloten, dann Quantenphysiker, dann Service, dann Schönheitschirurgen, dann Auftragsmörder und ganz zuunterst DJs. Die Hierarchie ist eigentlich allen klar.

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