Die besinnlichste Zeit des Jahres oder die dunkelste Zeit des Jahres. Alles eine Frage der Perspektive.
Überall wird man an die bevorstehenden Tage erinnert. Ob auf der Strasse, in den Geschäften, im Radio oder im TV. Penetrant bimmeln einem die Weihnachtshits die Ohren voll. Alle diese Werbungen und Plakate, die einem die heile Familien, gemeinsam und voller Liebe um den prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaum sitzend, zeigen. Jedes Produkt bedruckt mit feierlichen Weihnachtsmustern oder glücklichen und lachenden Menschen. Jeder wünscht sich schöne Festtage mit der Familie oder den Liebsten. Die Liebe, die Gemeinschaft, das Zusammensein, das Schenken, feiern und Traditionen zelebrieren – dies alles verkörpert Weihnachten.
Und manchmal vergisst man, dass es nicht allen so geht.
Dass diese Zeit um Weihnachten, keine fröhliche Zeit ist. Keine Familie da ist, die einem Liebe, Aufmerksamkeit und Geborgenheit schenkt. Kein Geld da ist, dass Einem Geschenke für die Liebsten ermöglichen würde. Dass es niemanden gibt, mit dem man alte Traditionen leben kann. An diesen Tagen nicht gefeiert, sondern getrauert wird, da ein geliebter Mensch nicht mehr da ist.
Das Bild der heilen Welt, was einem besonders in dieser Zeit so stark vergegenwärtigt wird. Diese Vorstellung von Frieden, Einigkeit und Liebe, verpackt in den elegant gekleideten Familienmitgliedern, bepackt mit bunten Geschenken, wie sie von den Plakaten und Werbungen überall mit ihren glücklichen Gesichtern strahlen. Schmerzlich daran erinnert, dass dies nicht die seine Realität ist. Viele Menschen verbringen diese Zeit, wie auch die des restlichen Jahres allein, jedoch ist die Realisation darüber gegen Ende des Jahres besonders stark.
Am heutigen offenen Verkaufssonntag wurde dieser Gap zwischen Suggestion und Realität wunderbar sichtbar. Die Gebäude mit bunten Lichtern, Tannenzweigen und roten Schleifen geschmückt, die Verkaufsstände erinnern an das Weihnachtsdorf irgendwo im hohen Norden beim Weihnachtsmann und dem Christkind und die bunten Menschleins dazwischen. Auf den ersten Blick und mit etwas Abstand eine friedliche Kulisse mit einem feierlichen Charakter. Sobald man jedoch in die Menschenmassen eintaucht und die Gespräche der Leute zwangsläufig mithört, wird eines klar; es ist alles andere als friedlich. Die Gesichter verzerrt zu hektischen und genervten Grimassen, die Worte untereinander gereizt und anmassend und dazu die schreienden Kleinkinder. Genervte Mütter, shoppingsüchtige Kinder und gelangweilte Herren, in welcher Kombination auch immer, glückliche Gesichter sehen anders aus. Nur um die Glühwein- und Prosecco- Stände sehe ich in grinsende Gesichter, glasige Augen und geröttete Wangen und Nasenspitzen.
Mir fällt dieses Jahr ganz besonders auf, dass das Fest der Liebe für so viele Menschen eine echte Herausforderung ist. Dass diese festliche und besinnliche Zeit etwas mit den Menschen macht. Sie kehren an ihre Ursprünge zurück. Sie werden mit ihrem «alten» und manchmal vielleicht hinter sich gelassenen Zeiten, wieder konfrontiert. In vielen Fällen sicherlich auch manchmal im Positiven. Jedoch stelle ich fest, für sehr viele Menschen eben auch nicht.
Die Gründe dafür scheinen vielfältig zu sein und ganz oft aber auch sehr ähnlich. Familie bedeutet nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen – schon klar. Für manche bedeutet es jedoch das pure Gegenteil und fördert viele schmerzliche Erinnerungen an die Oberfläche. Da ich dieses Gefühl gut kenne und auch ich diese Zeit als herausfordern empfinde, denke ich gerade jetzt natürlich besonders darüber nach. Jedes Mal, wenn mir jemand «Schöne Weihnachten» oder «eine besinnliche Zeit» wünscht, antworte ich in Gedanken «schön wärs». Diese schmerzliche Erinnerung daran, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt und gewisse Umstände mit sich bringt, ploppen jedes Mal auf. Etwas, wie ich mir vorstellen kann, dass man jedoch nicht laut ausspricht, sondern für sich behält und den Gruss der Einfachheit mit einer Selbstverständlichkeit erwidert.
Vor kurzem dann ertappte ich mich dabei, dass ich den Gruss zwar erwiderte, jedoch folgenden Satz noch dranhängte:
«Und falls diese Zeit eine Herausforderung für Dich ist, dann wünsche ich Dir viel Kraft, Liebe und Geborgenheit.»
Ich überraschte mich in diesem Moment selbst, als mir jedoch meine grosse Empathie einfiel, war es mir klar. Ich hatte unbewusst meine Gefühlswelt auf mein Gegenüber projiziert und mir vorgestellt, wie sich mein Gegenüber dabei fühlen könnte, falls es in einer ähnlichen Situation wie ich steckte. Die Antwort blieb aus, daher kann ich die Wirkung nicht abschätzen. Ich jedoch fand es tröstlich und auch wenn es dazu keine offiziellen Statistiken gibt, behaupte ich die Dunkelziffer der Grinch’s ist weit höher als man denkt.
Und gemeinsam bilden wir schon wieder eine Gemeinschaft, auch wenn vielleicht keine Anerkannte. Wir sind nicht alleine In dieser Zeit die positiven Dinge zu sehen, mag vielleicht schwierig erscheinen, die Erinnerungen sind zu präsent und schmerzlich, jedoch gehört die Selbstliebe beim Fest der Liebe dazu. Das bedeutet, es ist völlig in Ordnung, wenn ihr es für Euch stimmig macht. Wenn ihr Euch liebevoll und führsorglich behandelt. Auch wenn es vielleicht kein anderer tut – tut es für Euch selbst. Macht Euch Geschenke, kocht Euch leckeres Essen, tut Dinge die Spass machen. Habt Euch selbst lieb!
Und wenn dies alles die dunklen Gedanken und Gefühle nicht vertreiben lässt, dann ist auch das in Ordnung. Das neue Jahr wird kommen und damit die helleren Tage. Neue Chancen, neue Abenteuer, neue Liebe, neues Leben.
Sich selbst zu lieben, gehört zu den grössten Geschenken, die man sich machen kann. Daher lauten meine Weihnachtswünsche wie folgt:
«Eine gemütliche, geruhsame und liebevolle Zeit. Auf dass das neue Jahr, viel Freude, Glück und Liebe bringen mag! Viel Liebe und Geborgenheit!»
Eure Mutbürgerin
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