Eine passende Stelle zu finden, nicht einfach. Einen passenden Arbeitgeber zu finden, eine Herausforderung. Positives und förderndes Umfeld, dazu ein fairer Lohn, ein Einhorn.
Ich glaube für viele ist es nicht einfach den passenden Job zu finden. Der Stellenmarkt aktuell im Bereich Marketing – zum Haare raufen, Tränen lachen und Hoffnung schöpfen. Ihr seht, da ist so ziemlich alles dabei. Aber was ist den heutigen Unternehmen denn wichtig? Welche Werte, Visionen und Strategien verfolgen sie? Was suchen sie überhaupt? Gibt es hier eine Tendenz? Wenn man den Websites der unterschiedlichen Betriebe glauben will, scheinen die Mitarbeiter den meisten am wichtigsten. Die Mitarbeiter sollen ihre Individualität leben dürfen, ihre Stärken und Inputs einbringen und als Team gemeinsam wachsen können. Transparenz und Verantwortung sind auch Schlagworte, die sich überall wiederfinden lassen. Ich sag euch ehrlich – ich finde dies eine großartige Entwicklung. Denn eine Firma ohne ihre Mitarbeiter ist halt eben oft nur ein grosser Raum mit viel IT-Technologie und Mobiliar. Wer möchte nicht bei einem Unternehmen arbeiten, in dem man wertgeschätzt, gehört und fair bezahlt wird?
Nun gut, da Papier und auch die digitalen Geräte alle ziemlich geduldig sind, wäre jetzt die grosse Gretchen-Frage: «Wird das denn auch so gelebt?» Und da scheint die grosse Diskrepanz zu herrschen. Denn die haarsträubenden Geschichten aus meinem Umfeld bestätigen meine eigenen Erlebnisse.
Diese Wichtigkeit der Mitarbeiter, die perfide Suche nach DEM Richtigen, dem fehlenden Glied in der Kette alias Team – dieser Teil ist so überhaupt nicht spürbar im Bewerbungsprozess. Der Lebenslauf soll bitte nicht dein Geburtsdatum, deinen Zivilstand oder auch nicht dein Geschlecht verraten. Fotos bitte auf keinen Fall, es sollen ja in erster Linie die Qualifikationen beurteilt werden. Ja, ich sehe absolut die Vorteile und bin mir der Studien bewusst, die sagen, dass gutaussehende Menschen eher eine Jobangebot erhalten. Das hier zum Beispiel Queere oder Nicht-Norm-Menschen nachteilig behandelt werden können. Aber vor lauter Versuchen niemanden auf den Schlips zu treten und niemanden auszuschliessen, geht der Fokus völlig verloren. Ja, die sexuelle Orientierung darf einfach nicht ein Kriterium sein, aber der Mensch dahinter doch schon, oder nicht? In erster Linie sind wir Menschen mit eigenem Charakter, eigenen Stärken und eigenem Lebenslauf. In welchem Stadium spielt nun die Orientierung, das Alter oder andere Merkmale eine Rolle? Ich bin immer noch ich, auch wenn ich mich morgen entscheide das weibliche Geschlecht attraktiver zu finden. Also kurz gesagt, wir sind uns einig, dass diese Eigenschaften oder Merkmale nichts, aber auch rein gar nichts im Bewerbungsprozess verloren haben.
Dazu ein Gedanke von mir. Wenn wir nicht ständig alles «Abnormale» ausschliessen würden, müssten wir danach nicht wieder alles inkludieren! Lasst die Menschen doch einfach sich selbst sein, dann sind sie am stärksten.
Nun gut, das andere grosse Thema im Bewerbungsprozess sind die Stellenbeschriebe. Entweder sind sich die Chefs nicht einig, was denn nun alles für diese offene Stelle notwendig ist, oder sie denken sich; «Ach komm, lass es uns versuchen und schauen was sich bewirbt!». Schon einige Ausschreibungen haben mir einen Lacher entlockt, oft von einem Kopfschütteln begleitet. Ein Beispiele gefällig? «Kommunikationsspezialist gesucht – Elektrikerlehre vorausgesetzt – Hauptaufgabe ist der IT-Support». Ja, nee ist klar. Ein weiteres persönliches Highlight von mir: «Deine Benefits: Du arbeitest mit DJs und coolen Barkeepern zusammen, alle unter 25 Jahren.» Kurze Klarstellung: es handelte sich um eine Projektleiterstelle bei einer Marketingagentur. Ein anderes Beispiel: In der Stellenbeschreibung wird ein Eventmanager gesucht. Im Vorstellungsgespräch wird dann aber gesagt, dass ein klassischer Projektleiter gesucht wird, nur damit fängt man halt weniger Bewerber ein. Ist es übertrieben sich dann veräppelt zu fühlen?
Was mich jedoch mehr ärgert, wenn mit einer wahnsinnigen Selbstverständlichkeit ein bunter Blumenstrauss von Anforderungen niedergeschrieben wird und dieser mit derselben Selbstverständlichkeit vom Kandidaten gefordert wird. Oft werden Skills dreier verschiedener Berufe kombiniert, ein netter Titel als Überschrift gewählt und schon ist sie fertig, die Stellenausschreibung. Gerade in «meiner» Branche beobachte ich das sehr stark. Gesucht wird nach einem Marketing und Kommunikations-Spezialisten, der nicht nur super konzeptionelle Fähigkeiten hat, sondern auch versiert ist mit allen Grafikprogrammen wie InDesign und co., aber natürlich auch die gängigen Social-Media-Kanäle beherrscht. Nebenbei bringt er noch viel Erfahrung im Messebau mit und verfügt über Know-how im Bereich Publikationen offline und online. Ach ja, Videoproduktionen und Übersetzungen in mindestens drei Sprachen sind da noch vergessen gegangen. Versteht mich bitte nicht falsch, ich liebe diese Allrounder-Ansätze, nachdem die letzten Jahre nur nach Spezialisten gesucht wurde. Jedoch scheint mir, manche Firmen streichen drei Marketingstellen zusammen und machen daraus eben die eierlegende Wollmilchsau.
Nach meinen Erfahrungen mit diesen Sammelbecken von Aufgaben, auch Stellenausschreibung genannt, sind sich diese Unternehmen nicht ganz einig, was denn nun gesucht wird. Was ist sinnvoll und wohin soll der Fokus gehen? Die Führungsebene und die direkten Vorgesetzten haben ein unterschiedliches Verständnis, was wird überhaupt gebraucht. Hier wäre aus meiner Sicht eine Klärung notwendig, denn der Aufwand eine Stelle neu zu besetzen ist doch zu gross, dass man dies mehrmals im Jahr tun möchte. Ein nicht unwichtiger Aspekt, der dazu kommt - die faire Bezahlung. Erhalten wir mehr Geld, wenn wir verschiedene Bereiche abdecken können? Erhalten wir mehr Geld, wenn wir neben dem Marketingjob auch noch die Übersetzung und die Grafikarbeiten für die anstehende Kampagne umsetzen? Nein, es wird einfach vorausgesetzt und erwartet. Eine spannende Entwicklung, die ich aber mit Stirnrunzeln beobachte.
Wenn man dann doch den wildesten Anforderungskombinationen entspricht, den Job bekommen hat, und dann aber feststellt, dass der Alltag nur halb so abwechslungsreich und spannend ist wie angepriesen. Aber man wollte halt den besten und fähigsten Bewerber finden, nur dieser wird wegen Unterforderung bald wieder das Weite suchen. Macht das Sinn?
Vielleicht geht es bei der Gen Z genau darum, wenn die Headline wieder einmal lautet: «Die heutige Jugend hat keinen Bock zu arbeiten!» Wenn ich mir diese Ausgangslage gerade auf dem Arbeitsmarkt anschaue, dann kann ich die kritische Haltung immer mehr nachvollziehen. Denn ich glaube nicht, dass bei unserem Nachwuchs alle keinen Bock auf Arbeit haben. Diese Generation ist nur viel besser darin, ihre Grenzen klar aufzuzeigen und diese auch zu ziehen. Sie sind sich zwar des Konkurrenzkampfes bewusst, lassen sich jedoch nicht mit leeren Versprechungen und enttäuschenden Realitäten locken. Sie fordern das, was die Unternehmen in ihren Visionen versprechen. Sie wollen gesehen werden, nach ihren Stärken eingesetzt und gefördert werden. Aber wollen wir das nicht alle?
Irgendwie erinnert mich das Ganze an die alten Westernfilme, in denen hinter den prachtvollen Fassaden, einfache Holzhütten standen. Da konnte man den Betrug wenigstens erahnen. In der heutigen Zeit ist es echt schwierig diese Unterscheidung zu machen, gerade in der ersten Phase. Erst wenn der Drops schon gelutscht ist, beziehungsweise die Tinte auf dem Vertrag getrocknet, erkennt man gewisse Unstimmigkeiten. Denn viele haben dieses perfide Spiel bereits perfektioniert. Natürlich werden auch hier die Wahrnehmungen auseinander gehen und manch einer fühlt sich eher fehl am Platz. Jedoch glaube ich, dass niemand gerne über den Tisch gezogen oder mit falschen Informationen gelockt wird. Jedoch kann in diesem Szenario ein weiterer Faktor sehr entscheidend sein, gerade wenn du auf die Stelle, bzw. den Lohn angewiesen bist.
Das Machtgefälle. Als Arbeitnehmer bekommt man öfters das Gefühl, am kürzeren Hebel zu sitzen. Solange man nicht aus der Reihe tanzt, nicht auffällt und seine Arbeit nach Vorschrift erledigt - bene! Sobald man jedoch als Angestellter einen Input hat, etwas Unangenehmes anspricht oder Unstimmigkeiten entdeckt, gerät man ins Visier. Und plötzlich sind die ach-so-wichtigen-Mitarbeiter, gar nicht mehr so wichtig, zumindest nicht deren Meinung. Man bekommt das Gefühl in eine Position geraten zu sein, die in alle Richtungen auf dünnes Eis führt. Dabei kann es sich auch nur um die Bitte einer Lohnerhöhung oder Möglichkeit einer Weiterbildung handeln. Dazu kommt, dass es oft nicht bei diesem Gefühl bleibt. Ob im Bewerbungsprozess oder im Angestelltenverhältnis, die Macht wird ganz klar und sichtbar ausgeübt. Ganz nach dem Motto: «Wenn es Dir hier nicht passt, kannst Du gerne gehen. Es warten Hunderte da draussen, die deinen Job gerne haben würden!». Das Traurige - sie haben recht! Wir sind alle in der heutigen Zeit super ersetzbar und ein anderer ist problemlos bereit, unter diesen Umständen zu arbeiten. Ob dieser Jemand aus mieseren Verhältnissen kommt, niedrigere Ansprüche hat oder einfach einen Weg gefunden hat, in diesem Abhängigkeitsverhältnis zu sein, sei dahingestellt.
Macht scheint schon immer, seit Menschengedenken, eine «wertvolle» Währung auch im Berufsumfeld zu sein. Macht wurde schon immer demonstriert und gerne gezeigt. Und ja, es gab sicherlich auch schon immer Menschen, die daran Freude hatten, anderen ihre Macht zu zeigen. Wäre es utopisch zu glauben, dass man Macht demonstrieren kann, ohne dabei andere zu Fall zu bringen? Oder sind Kollateralschäden ein ständiger Begleiter von Machtdemonstrationen?
Fühlen sich Machtausüber auch mal schlecht, wenn sie merken, dass sie jemanden mit ihrem Verhalten schaden? Merken diejenigen, die Macht ausüben überhaupt, dass noch andere Prozesse ablaufen, wenn sie im Demonstrationsmodus sind? Verfügen solche Menschen über die Sozialkompetenz, andere Schwingungen wahrzunehmen?
Wäre wahre Macht nicht, ein gut ausgewähltes Team an Mitarbeitern, die stärkenbasiert eingesetzt werden und sich wirklich gegenseitig unterstützen? Wäre wahre Machtdemonstration nicht eine Einheit der Mitarbeiter, die wie eine Eins zusammenhalten? Wenn wir als Firma zusammenhalten, einander aus der Patsche helfen und nichts von aussen zwischen uns kommen lassen, wäre das nicht die wahre Machtdemonstration?
Ist vielleicht das Ego die Wurzel allen Übels? Geht es bei all den angesprochenen Punkten nicht immer schlussendlich um die Egos der jeweiligen Personen in den entscheidenden Positionen?
Ich bleibe heute mit all diesen Fragen etwas ratlos zurück, denn ich weiss aus eigener Erfahrung, dass Mut in dieser Welt keine Allerheilmittel ist, wie ich es ansonsten so gerne proklamiere. Auch wenn es sich richtig anfühlt, den Mut gehabt zu haben, dem Chef die Wahrheit ins Gesicht gesagt zu haben. Ob es dich jedoch in deiner Karrieren Planung weiterbringt, hängt ganz allein von deinem Vorgesetzten ab. Ist er mutig genug, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken? Mutig genug, seinen Mitarbeitern die psychologische Sicherheit (Lieblingswort 2023) zu geben, dass sie mit ihm ehrlich und transparent kommunizieren?
Meine Erfahrung, ehrlich und direkt: Nein, sind sie meist nicht!
Es erfordert viel Mut und Selbstreflektion ein ehrliches Feedback von seinen Mitarbeitern anzunehmen. Das ist klar. Auch ich war schon in solch einer Situation mit drei Mitarbeiterinnen, alle im Alter meiner Mutter. Keine einfache Sache, das sag ich euch gleich. Und vielleicht genau deshalb ist es so wichtig, genau in diesen Momenten gut zuzuhören. Natürlich, nicht immer sind die Inputs der Mitarbeiter die nächste Cash Cow, jedoch sind sie die Menschen an der Front. Sie bearbeiten tagtäglich die Aufgaben, die ihnen gestellt werden. Und sind wir mal ehrlich, ganz oft weichen die von den theoretischen von den Chefs definierten Aufgaben ab. Ich will damit sagen, wenn jemand Ahnung von den Prozessen hat, dann sind es die Leute an vorderster Front. Oft sind die oberen Etagen mit «wichtigeren» Dingen beschäftigt, was absolut seine Legitimation hat. Und gerade dies ist einer der besten Gründe, aus meiner Sicht, diese Mitarbeiter-Gespräche ernst zu nehmen.
Liebe Vorgesetzten da draussen, seid euch bitte im Klaren, dieser Mitarbeiter, der mit einem Input oder einem Problem zu euch kommt, hat meist viel Mut gebraucht diesen Schritt zu tun. Ablehnung der Idee, Missgunst der anderen Mitarbeiter, unangenehme Fragen sind nur einige der Gedanken, die im Vorfeld durch den Kopf gehen. Also seid bitte dankbar und froh, auch wenn ihr den ersten Schock verdauen müsst, lasst es euch nicht anmerken und zeigt Respekt und Anstand. Führt ein offenes Gespräch und sprecht alles an. Auch eure Gedanken und Meinungen und um Himmels willen benutzt die Ehrlichkeit eurer Mitarbeiter nicht gegen sie.
Ein ehrlicher Austausch auf Augenhöhe ist oft der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit und bedeutet nicht, dass der Vorgesetztenstatus schrumpft oder ähnliches.
Das ist nur wieder so eine Egogeschichte. Wahres Ego zeigt sich in der Grösse auch eigene Fehler eingestehen zu können und die Inputs von Anderen zu hören.
Lasst uns die Menschen hinter all den Jobbezeichnungen wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. In den ganzen automatisierten Bewerbungsplattformen wird immer weniger über die Person gefragt. Inzwischen wird gebeten kein Foto im Lebenslauf zu integrieren, man wolle ohne Vorurteile und nur nach Qualifikationen urteilen. Ja, verstehe ich, nur weil einer gut aussieht muss er noch lange kein Genie sein. Aber zum Teufel nochmal, die Menschen sind doch so unterschiedlich und auch wenn wir zehn Leute, alle mit der komplett gleichen Ausbildung, eine exakt gleiche Aufgabe erfüllen lassen, erhalten wir doch zehn verschiedene Resultate. Unsere Individualität macht uns doch eben genau aus.
Wir müssen wieder mehr real werden. Reale Begegnungen zulassen und vor allem die Menschen real sein lassen. Darin ihre Stärken zu sehen. Denn ich kenne keine stärkeren Menschen, als die zu 100% sich selbst sind und sich entfalten und ihre Stärken leben. Ich weiss, ein mutiger Schritt. Auch für mich. Sich zu 100% selbst zu sein bedeutet mit sich im Reinen zu sein. Seine Stärken zu kennen, jedoch aber auch seinen Schwächen. Sich selbst bewusst zu sein, seiner Wirkung ebenso. Keine einfache Sache, denn Ablehnung wird es immer wieder geben.
Und dennoch, bin ich wirklich mit jeder Faser meines Körpers davon überzeugt, dass es so viel einfacher und erfolgreicher wäre. Vielleicht kennt ihr das Buch von John Strelecky «The big five for life». Leute, ich fand es wirklich Mind blowing und bin überzeugt, dass dies die Lösung für sehr viele Unternehmen wäre. Okey, vielleicht empfinden das einige als naiv und kindlich, aber lassen wir hier jedem seine Meinung. Lest es und vielleicht habt ihr ja dann Lust mit mir darüber zu quatschen.
Das Ende der Geschichte: Wir brauchen wieder mehr Mensch in den Menschen.
Seid mutig und seid ganz euch selbst. Wenn man das tut, was einem Spass macht, dann ist man immer ein kleines bisschen besser, als jemand der es nicht gerne tut. Chefs, seid mutig und lasst eure Mitarbeiter ihre Stärken zeigen und leben, ihr werdet sicherlich davon profitieren. Geht mutig voran und seid ein gutes Vorbild.
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