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Dating - Hö(h)lle

Meine kleine Stimme die sich «unzerstörbare Hoffnung» nennt, ist gerade wieder einmal sehr stolz auf mich und natürlich auch meine beste Freundin. Sie finden es grossartig, wie ich immer wieder neue Dinge wage, raus gehe und wildfremde Menschen treffe. Mich darum bemühe, nicht mein restliches Leben mit mir allein zu verbringen, sondern den passenden Deckel auf meinen leicht verformten Topf zu finden. Ob mit einer Singlewanderung, unterschiedlichen Bars in der Stadt oder ganz «altmodisch» über die gängigen Dating-Apps. Ja, ich gehöre zu den Menschen, die die romantische Suche nach der grossen Liebe nicht aufgeben wollen. Die daran glauben, dass da draussen jemand ist, der mich komplementiert, das Schicksal braucht einfach noch etwas Hilfe, um uns zusammen zu bringen.

 

Das tolle ist ja, wenn man einigermassen ins Schönheits-Schema passt, dann ist es grundsätzlich komisch, dass man überhaupt Single ist oder dann auch noch, oweh, die bekannten Apps verwendet, um dies zu ändern. Wenn man denkt, dass Single sein die Herausforderung mit sich bringt, wieder jemanden zu finden, falsch gedacht. Zuerst darfst Du erklären, wie es zu dieser desaströsen Situation kommen konnte, denn schliesslich bist Du nicht ganz hässlich und siehst sogar nach dem heutigen Schönheitsprinzip gut aus.


Dann muss es wohl am Rest liegen. Und schon ist man nicht nur Single, sondern auch ein psychisches Wrack oder eine frigide Zicke.

 

Nun ja, da ich mit den Jahren aufgehört habe auf die Stimmen aus dem Volk zu hören, sind mir all diese Stereotypen und Vorurteile gleichgültig und so wage ich mich immer wieder in die Höhle des Datings. Ja, Hölle oder Höhle, das zeigt sich oft erst wenn man mittendrin steckt.

 

Über die gängigen Dating-Apps wurde schon zu oft geschrieben und so spule ich vor auf das super spontane Date mit Ramon. Er schrieb direkt und meinte, dass er mich toll fände und gerne kennenlernen würde und schlug ein Abendessen vor, auf das er mich einladen wollte. Da ich direkt und unkompliziert mag, stimmte ich zu und so kam es, dass wir uns einen Tag später trafen. Kurz bevor er mich abholen wollte, schickt er mir ein Foto von sich und meinte, so würde ich ihn besser erkennen. Erster Schockmoment war da; wer zum Teufel war der Typ auf dem Foto? Sah der auf dem Dating Profil nicht anders aus? Besser, grösser, schlanker? Als ich dies checken wollte, stellte ich fest, dass ich sein Profil gar nicht mehr aufrufen konnte. Nun gut, in wenigen Minuten würde er mich abholen und so wappnete ich mich für eine Überraschung und wollte ihn später darauf ansprechen.


Nun folgten zwei Stunden mühsamste Konversation, denn sobald ich nur einen Satz anfing, fiel er mir ins Wort und erzählte munter aus seinem Leben. Zwischendurch fiel ihm wahrscheinlich ein, dass er noch gar nichts über mich wusste und so kam es, dass ich mich plötzlich in einem Vorstellungsgespräch am Freitagabend wiederfand. Wenn dann eine Frage kam, dann war sie meistens noch mit einem kleinen Klaps kombiniert.


«Jetzt sitzen wir hier schon seit zwei Stunden und ich weiss eigentlich gar nichts über dich, Du bist so gar nicht greifbar. Erzähl doch mal, wie soll Dein Mann sein?»
Meine trockene Antwort darauf war; «Das liegt daran, dass Du mir ständig ins Wort fällst und ich noch keinen Satz zu Ende reden konnte.»

Hoppla, der sass, plötzlich verstummte der Herr und versuchte sich unbeholfen für meine Ehrlichkeit zu bedanken. Zum Glück fingen die Mitarbeiter inzwischen lautstark an das Restaurant aufzuräumen, so dass ich die Gunst der Stunde nutzte und mich verabschieden wollte. Sobald wir auf der Strasse standen, wollte er ein Feedback zum Treffen haben und wie es nun weitergehen sollte. Überrascht und überfordert zu gleich, versprach ich mich morgen zu melden und ergriff die Flucht. Da ich grundsätzlich durch sein Verhalten komplett überfordert war, da ich auf keinen Fall erwartet hatte in einem Vorstellunggespräch zu landen, verpasste ich den Moment, um ihn auf seine Fotos anzusprechen. Nun ja, grundsätzlich war dies ja auch nun völlig egal, denn mir wurde schnell klar, dass das mit uns keine Zukunft haben würde.


So zottelte ich kopfschüttelnd von dannen, um mich in meine Stammkneipe zu verdrücken. Als ich da auf einen alten Freund traf und ihm die Geschichte erzählte, kam der zweite Aha-Moment dieses Abends. Denn plötzlich wurde ich an den Pranger gestellt, denn ich würde dem armen Typen Hoffnung machen und ich hätte schon nach 10min. das Ganze abbrechen sollen.

Nach einem kurzen Schweigemoment meinerseits, musste ich eingestehen, dass mein Freund wohl oder übel recht hatte und ich auch anders hätte handeln können. Nun gut, da kam wohl meine gute Erziehung zum Vorschein und ich brachte es in dieser Situation einfach nicht zu Stande. So entschied ich mich dann aber, dies nun zu ändern. Keine zehn Minuten später, auf dem Weg zur nächsten Bar, schickte eine Sprachnachricht und informierte ihn, dass es wohl nicht passen würde. Und falls ihr euch jetzt fragt, ob ich dann das Thema Fake-Fotos angesprochen habe, muss ich euch enttäuschen. Ob ich es das nächste Mal anders machen würde? Fest vorgenommen habe ich es mir auf jeden Fall.

 

Dennoch blieb bei mir die Frage, was denn zum Teufel in solchen Leuten vorgeht.

Glaubt ihr es fällte keinem auf, wenn ihr dann in real vor uns steht und irgendwie komplett anders ausseht? Keiner wird gerne belogen und schon gar nicht im Dating-Rahmen. Aus meiner Sicht geht jedoch noch ein anderer, viel wichtiger Aspekt dabei vergessen. Was sagt das über einen Menschen aus, der sowas tut? Was sagt das über sein Selbstbewusstsein aus? Über seine Perspektive auf die Werte eines Menschen?

Natürlich wollen wir alle einen Partner, den wir attraktiv finden und im besten Fall sexuell anziehend, aber wollen wir auch einen Menschen an unserer Seite haben, für den das Aussehen so einen immensen Stellenwert hat? Der bereit ist zu lügen und sich dann auch noch der Situation zu stellen, dass bei einer realen Begegnung die blanke Wahrheit nicht zu verbergen ist?

 

Ja, ich weiss, heutzutage nennt man solche Menschen «Catfish» (der arme Fisch, dessen Name dafür gestohlen wurde) und ich muss zugeben, bis anhin kannte ich dieses Phänomen NUR von Erzählungen. Als dieser Begriff aufkam und amerikanische Sendungen dies zu ihrem Thema machten, hörte ich nur ab und zu solche Storys aus meinem Umfeld und dachte insgeheim, dass wohl Jeder auf Fotos und in der Realität anders aussieht. Also keine grosse Sache, wahrscheinlich waren die Erwartungen einfach zu hoch.

 

Nun ja, Jahre später wurde ich eines Besseren belehrt, vielen Dank Michele. Gebe ich nun die Hoffnung auf und bereite mich auf ein Leben als Dog-Lady vor?

Nein, das wäre zu einfach und so viel Macht will ich diesen «Catfish-Typen» nicht geben. Ja, das war ein Griff ins Klo, aber falls ihr meine anderen Texte schon gelesen habt, ich bin Keine die so leicht aufgibt. Daher heisst es immer wieder aufs Neue; ab in die Dating-Hö(h)lle und mal sehen wies dieses Mal läuft.

 

Seid mutig und vor allem ganz Euch selbst und ich bin überzeugt, dass für uns alle da draussen noch ein Deckel oder halt auch Dackel wartet.

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